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Maßnahmen der öffentlichen Gewalt
Die Verfassungsbeschwerde kann sich gegen unterschiedliche Objekte richten.
Bei einer Urteilsverfassungsbeschwerde ist der Angriffsgegenstand der Beschwerde ein bzw. mehrere Urteile oder Beschlüsse. Eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde richtet sich gegen formelle Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen als solche. Des Weiteren kann sich die Verfassungsbeschwerde darüber hinaus gegen einen hoheitlichen Akt der Exekutive richten. In der Summe sind als Angriffsobjekte entsprechend alle Handlungen und Unterlassungen der öffentlichen Gewalt tauglicher Beschwerdegegenstand, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG.
Nach Maßstab der Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG ist der Staat an die Grundrechte gebunden, wobei die weite Auslegung der Rechtsprechung nicht nur solche Akte der Exekutive, sondern auch solche der Legislative umfasst. Sodann prüft das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Aktes, erklärt eine formelle Vorschrift für nichtig, hebt entsprechende Entscheidungen auf oder weist die Sache an das zuständige Gericht zurück, § 95 BVerfGG.
Maßnahmen öffentlicher Gewalt sind allerdings nur solche der deutschen öffentlichen Gewalt (BVerfGE 1, 10; BVerfGE 57, 9). Obgleich im Strafrecht praktische Relevanz bei grenzüberschreitenden Sachverhaltskonstellationen besteht, können Akte zwischenstaatlicher Einrichtungen nicht mittels Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (BVerfGE 58,1). Dies gilt auch für Normen des Gemeinschaftsrechts, sofern verfassungsrechtlicher Schutz ausreichend gewährleistet wird (BVerfGE 73, 339). Auch Maßnahmen ausländischer Staaten sind nicht mittels Verfassungsbeschwerde angreifbar.
Werden bspw. Informanten oder V-Leute durch behördlichen Auftrag zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben in Anspruch genommen, so gelten sie gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB als Amtsträger. Der Staat soll sich durch die Inanspruchnahme von Privatpersonen nicht ihrer öffentlichen Pflichten entziehen, sodass im Falle einer solchen Heranziehung die entsprechenden Maßnahmen der Privatpersonen dem Staat zugerechnet werden.
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Akte der vollziehenden Gewalt
Maßnahmen der Exekutive, also der vollziehenden Gewalt (z.B. Polizeibeamte), sind dann taugliches Angriffsobjekt der Verfassungsbeschwerde, sofern diese von einem spezifischen Regelungsgehalt (Verbot oder Gebot) mit Außenwirkung getragen werden, § 35 VwVfG. Im Hinblick auf das Strafrecht, handelt es sich hier um Maßnahmen der Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden. Aber auch Handlungen seitens der Staatsanwaltschaft, welche ihrem wesentlichen Kern nach nicht der Legislative, sondern der Exekutive zugeordnet werden, können taugliche Angriffsgegenstände der Verfassungsbeschwerde sein (BVerfGE 103, 142).
- Anträge der Staatsanwaltschaft an die Gerichte
Bei Anträgen zur Durchführung von Ermittlungshandlungen nach § 162 StPO handelt es sich um rein interne Vorgänge, welche für sich allein nicht ausreichen, um dienlicher Gegenstand der Beschwerde zu sein. Viel mehr treten potenzielle Verletzungen von Grundrechten erst mit Stattgeben des Antrags durch den Richter ein, sodass jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers bejaht wird (BVerfGE 15, 303). Eine ,,präventive‘‘ Verfassungsbeschwerde, welche der eigentlichen Entscheidung vorausgeht, ist entsprechend als unzulässig zu verwerfen.
- Maßnahmen der StA im Ermittlungs- oder Vollstreckungsverfahren
Bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen Ermittlungsmaßnahmen durchführen, welche ihrem Wesen nach jedoch nur Zwischenentscheidungen im Ermittlungsverfahren darstellen, die für sich betrachtet grundsätzlich kein tauglicher Angriffsgegenstand der Verfassungsbeschwerde sein können. Auch die Verweigerung der Aussetzung des Ermittlungsverfahrens kann nicht mittels Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Nur dann, wenn durch die Entscheidungsbefugnis der Vollstreckungsbehörde neue Grundrechtsverletzungen entstehen, sind diese denkbares Angriffsobjekt der Beschwerde. Jedenfalls zulässig sind bspw. die Überwachung von Briefverkehr des Häftlings (BVerfG, NJW 1981, 1943) sowie die Ablehnung eines Gesuchs im Hinblick auf vorzeitige Entlassung (BVerfG 12, 1).
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Akte der Gesetzgebung
Taugliche Gegenstände der Beschwerde sind nicht nur formelle Parlamentsgesetze, sondern auch Satzungen und Rechtsverordnungen (BVerfGE 65, 325; BVerfGE 62, 117). Hat das Bundesverfassungsgericht bereits über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entschieden, so ist die erneute Beschwerde gegen ebendiese unzulässig (BVerfGE 1, 89).
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Maßnahmen der Gerichte und des Richters
Für die Praxis am relevantesten ist die sog. Urteilsverfassungsbeschwerde. Die Einlegung der Verfassungsbeschwerde führt jedoch nicht zur vollumfänglichen Überprüfung des Urteils, bspw. ob die Würdigung des Tatbestands fehlerhaft ist.
Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz und prüft deshalb lediglich, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde.
- Gegen Entscheidungen welches Gerichts kann Beschwerde eingelegt werden?
Entscheidungen eines jeden Gerichts könnten grundsätzlich tauglicher Gegenstand der Beschwerde sein. Hiervon nicht umfasst sind allerdings Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts selbst, da das Bundesverfassungsgericht keine Akte der öffentlichen Gewalt vornimmt.
- Ab wann sind Entscheidungen tauglicher Beschwerdegegenstand?
- Zwischenentscheidungen
Zwischenentscheidungen, die noch vor dem endgültigen Urteil getroffen werden, sind in der Regel nicht beschwerdetauglich. Es gilt der Grundsatz der Erschöpfung des Rechtsweges i.S.v. § 90 Abs. 2 BVerfGG. Eine Zwischenentscheidung kann – ausnahmsweise – angegriffen werden, wenn ein dringendes schutzwürdiges Interesse besteht. Die praktische Anwendung verhält sich jedoch eher restriktiv.
- Haftbefehl als richterliche Maßnahme im Vorverfahren
Anders verhält es sich bei einem Haftbefehl als richterliche Maßnahme im Vorverfahren. Sowohl der Haftbefehl als solcher sowie der Beschluss über eine Auslieferung sind mittels Verfassungsbeschwerde angreifbar (BVerfGK 6, 303; BVerfGE 4, 322).
- Sonstige Maßnahmen im Vorverfahren
Für Akte im Vorverfahren, gegen welche ein eigener fachgerichtlicher Rechtsschutz möglich ist, ist in aller Regel auch die Verfassungsbeschwerde zulässig. D.h. dass Anordnungen nach § 81a StPO nach Erschöpfung des Rechtswegs ebenfalls mittels Beschwerde angefochten werden können. Zulässig sind demnach bspw. Beschwerden gegen den Erlass von Befehlen, welche die räumliche Durchsuchung anordnen sowie die Anfechtung von Beschlüssen des Ermittlungsrichters, welcher die Beschlagnahme anordnet (BVerfGE 20, 162; BVerfGE 42, 212).
- Richterablehnung
Eine Verfassungsbeschwerde kommt nicht in Anbetracht, wenn der Beschwerdeführer die Befangenheit eines Richters beklagt. Hierfür steht dem Betroffenen ein absoluter Revisionsgrund aus § 338 Nr. 2, 3 StPO zur Verfügung. Der Beschluss des Gerichts über die Ablehnung des Richters ist allerdings nicht mit der Revision anfechtbar, weshalb eine Verfassungsbeschwerde theoretisch möglich ist.
- Ablehnung einer Zeugenladung
Die Ablehnung eines Zeugen ist eine Zwischenentscheidung, welche wiederum nicht mittels Beschwerde angegriffen werden kann. Im Zuge des Verfahrens gibt es ausreichende Möglichkeiten, eine Ladung zu erwirken oder andere Rechtsbehelfe einzulegen, um die Ablehnung zu rügen.