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Hero-Image Verfassungsbeschwerde (Verfassungsgericht Gebäude)

Die persönlichen Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde in Strafsachen

  1. Partei- und Beschwerdefähigkeitoderbralski_verfassungsrecht

Dem Wortlaut nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerGG ist es ,,jedermann‘‘ möglich, Verfassungsbeschwerde zu erheben. Sodann meint ,,jedermann“ zunächst jede natürliche Person. Der Beschwerdeführer muss jedoch auch grundrechts- und parteifähig sein.

Mit der Geburt beginnt entsprechend die Grundrechtsfähigkeit, also die Fähigkeit, überhaupt Träger von Grundrechten sein zu können. Ausnahmen gelten hier ggf. für den ,,Nasciturus‘‘ – also das bereits gezeugte, aber noch nicht geborene Kind – wenngleich dieser spezielle Fall nahezu kaum praktische Relevanz in Strafsachen entfaltet.

Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer auch parteifähig, sofern er überhaupt Adressat des betroffenen Grundrechts sein kann.

 

  1. Natürliche und Juristische Personen

Die Beschwerdefähigkeit wird jedoch nach Maßstab des Art. 19 Abs. 3 GG insofern ausgeweitet, dass auch inländische juristische Personen Träger von Grundrechten sein können, soweit die betroffenen Grundrechte ihrem Wesen nach auch auf diese anwendbar sind. Juristische Personen sind Zweckgebilde der Rechtsordnung mit eigener Rechtspersönlichkeit (BVerfGE 106, 28), also bspw. eine GmbH, eine Aktiengesellschaft oder ein eingetragener Verein. Das weite Begriffsverständnis umfasst jedoch auch Personengesellschaften, weshalb auch Parteien Grundrechtsverletzungen rügen können.

Hierunter fallen etwa als Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) – obgleich dieses Grundrecht nur als Auffangrecht dienen kann, soweit kein spezielleres Recht betroffen ist -, Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz), Art. 4 Abs. 1 GG (Glaubensfreiheit), Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs- und Pressefreiheit), Art. 9 GG (Vereinigungsfreiheit), Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) sowie Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsfreiheit), aber auch Prozessgrundrechte aus Art. 101 Abs 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG (Recht auf gesetzlichen Richter und Recht auf rechtliches Gehör) auf welche sich darüber hinaus auch ausländische juristische Personen berufen dürfen.

Indem der Begriff der ,,Wohnung‘‘ auf Geschäftsräume ausgeweitet wird, bejaht das Bundesverfassungsgericht die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 GG im Hinblick auf eben solche (BVerfGE 32, 54).

Des Weiteren können sich Parteien auf Art. 8 Abs. 1 (Versammlungsfreiheit) berufen.

Praktisch relevant in Strafsachen sind insbesondere solche Fälle, in denen juristische Personen der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB unterliegen oder Geschäftsräume durchsucht oder Dinge aus diesen beschlagnahmt werden sollen (BVerfGE 42, 212; BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Beschl. V. 20.12.2002 – 2 BvR 495/02).

Andererseits werden diejenigen Grundrechte, welche sich insbesondere auf die Individualität einer natürlichen Person beziehen, den juristischen Personen nicht zugestanden (Bsp. Art. 1 Abs. 1 GG, Menschenwürde).

  1. Welche Bedeutung hat es für das Verfahren, wenn der Beschwerdeführer stirbt?

Ob die Grundrechtsfähigkeit des Beschwerdeführers mit dem Eintritt des Todes beendet wird, ist streitig. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings, dass eine erneute Verfassungsbeschwerde nicht erhoben werden kann und im Ergebnis entsprechend unzulässig ist (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. V. 24.04.1990 – 2 BvR 411/90).

Handelt es sich jedoch um ein anhängiges Verfahren, muss das Gericht hierüber im Einzelfall entscheiden. Das Beschwerdeverfahren wird grds. fortgesetzt, wenn es sich um vermögensrechtliche Ansprüche von Erben handelt oder etwaige Einziehung nach Vorschrift der §§ 73 ff. StGB im Raum steht.

Ein Verfahren erledigt sich demnach grds. dann mit dem Tod des Beschwerdeführers, wenn es sich beim Gegenstand des Verfahrens um höchstpersönliche Ansprüche handelt.

  1. Minderjährige

Auch Minderjährige können Grundrechtsverletzungen geltend machen. Sind sie jedoch nicht ausreichend einsichtsfähig, müssen Minderjährige angemessen vertreten werden. Handelt es sich um eine Sanktion (bspw. Heimunterbringung), welche potenziell das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG berührt (Recht der elterlichen Sorge und Erziehung), können die Eltern des Minderjährigen ggf. auch eine eigene Rechtsverletzung rügen (BVerfGE 107, 104).

  1. Ausländische Staatsangehörige

Besondere praktische Relevanz haben Verfassungsbeschwerden in Strafsachen dann, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen ausländischen Staatsangehörigen handelt.

Sachverhalte, in denen es um Aufenthalts- und Auslieferungsfragen ankommt, richten sich typischerweise an ausländische Staatsangehörige. Jedoch gibt es eine Vielzahl von Grundrechten, welche ihrem Wortlaut nach nur dem deutschen Staatsbürger zugestanden werden.

So etwa exemplarisch Art. 8 Abs. 1 GG ,,Alle Deutschen haben das Recht (…)‘‘. Maßgeblich für die Rüge ebendieser Grundrechte ist also die deutsche Staatsbürgerschaft gem. Art. 116 GG.  Da Deutschland Mitglied der Europäischen Union ist, stellt sich im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV mithin die Frage, ob nicht zumindest Angehörigen anderer europäischer Unionsstaaten diese Rechte zur Verfügung stehen.

Im Ergebnis kann Art. 2 Abs. 1 GG jedoch oftmals als Auffangrecht dienlich sein, sofern dies den personalen Ausschluss aus spezielleren Grundrechten nicht gänzlich aushöhlt.

 

  1. Prozessfähigkeit

Das BVerfGG verfügt über keine speziellen Vorschriften hinsichtlich der Prozessfähigkeit. Überwiegend werden Vorschriften anderer Verfahren analog angewendet, soweit sie für den Einzelfall zweckdienlich sind.  Grundsätzlich handelt es sich bei der Prozessfähigkeit um die Fähigkeit, selbst oder durch einen entsprechenden Vertreter, den Prozess betreffende Handlungen vorzunehmen. Hierfür wird jedoch nicht an die Geschäfts-, sondern an die Einsichtsfähigkeit angeknüpft.

  1. Grundrechtsmündigkeit und Einsichtsfähigkeit

Obgleich bei Minderjährigen auf die Einsichtsfähigkeit bzgl. der Ausübung des speziellen Grundrechts abgestellt wird, gilt bei Jugendstraftätern insbesondere der Grundsatz, dass die Einsichtsfähigkeit im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde sodann zu unterstellen ist, wenn der Täter gem. §§ 19 StGB i.V.m. § 3 S. 1 JGG aufgrund seines Alters auch im ursprünglichen Strafprozess als strafmündige Person beteiligt wurde.

  1. Interessenkollision bei der Vertretung eines Schutzbefohlenen

In den Fällen, in denen ein Schutzbefohlener durch den gesetzlichen Vertreter oder den Sorgeberechtigten vertreten werden muss, wobei es sich möglicherweise um Konstellationen handelt, in denen der Schutzbefohlene von selbigen missbraucht wurde oder der Vertreter selbst Opfer einer strafbaren Handlung des Minderjährigen geworden ist, kann ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden (BVerfGE 68, 176). Demgemäß besteht die Verpflichtung, einen Ergänzungspfleger heranzuziehen (BVerfGE 72, 122; BVerfGE 75, 201).

  1. Postulationsfähigkeit

Kommt es zur mündlichen Verhandlung, wenngleich dies in der Praxis eher rar ist, muss der Betroffene sich nach Vorgabe des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BVerfGG durch einen Anwalt oder einen Hochschullehrer vertreten lassen. Für die bloße Einreichung der Beschwerde muss der Beschwerdeführer jedoch keinen Dritten konsultieren. Da die Schrift jedoch zahlreichen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegt, sei im Hinblick auf die substantiierte Darlegung der Grundrechtsverletzung und dem damit verbundenen Prozessverlauf hierzu geraten.